4 Übungen, die schnell und zuverlässig bei akuter Angst und Panik helfen
Herzrasen, Atemnot und Schwindel sind nur einige Symptome, die bei starker Angst und Panikattacken auftreten können. Oftmals sind wir dieser meist plötzlich auftretenden Angst hilflos ausgeliefert und wissen nicht was wir tun können, um die Angst zu mildern und uns zu beruhigen.
Angstzustände sind in der heutigen „Leistungsgesellschaft“ leider keine Seltenheit mehr und können früher oder später jeden Menschen betreffen. Gerade deshalb ist es so essenziell, sich präventiv geeignete Strategien anzueignen, damit man im Ernstfall die passende Anleitung anwenden kann, – um sich selbst oder anderen schnell helfen zu können. Sollten Sie unter sehr starken Ängsten leiden, suchen Sie nach professioneller Hilfe. Eine Psycho- oder Verhaltenstherapie begleitet Sie darin, Ihre Ängste in einem anderen Licht zu sehen und anders mit Ihnen umzugehen. Die nachfolgenden Übungen kann man jederzeit und überall anwenden.
1. Die 5-Sinne-Übung
Die „5-4-3-2-1“ oder auch „5-Sinne-Übung“ hat sich in Situationen akuter Angst und Panik als sehr hilfreich erwiesen. Sie verhilft unmittelbar zu einer besseren Verankerung in der Gegenwart und unterbricht die Kette von angstvollen Gedanken, die die Angst weiter am Leben halten. Untersuchungen haben gezeigt, dass es nicht möglich ist, gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die Körpersinne zu richten und weiterhin mit der gleichen Intensität angstvoll zu grübeln oder sich zu sorgen.
Vor jeder Übung sollten Sie sich grundsätzlich immer erst auf deine Atmung konzentrieren, indem Sie wahrnehmen, wie der Atem in Sie ein- und ausströmt. Im besten Fall atmen Sie durch die Nase tief in den Bauch und atmen ganz langsam durch den Mund wieder aus.
Wenn sich Ihr Atem ein wenig beruhigt hat, zählen Sie 5 Dinge auf, die Sie mit Ihren Augen sehen können. Wie sieht zum Beispiel der Boden aus, auf dem Sie stehen? Sind Sie draußen in der Natur oder zuhause? Welche Farbe hat der Himmel? Scheint die Sonne oder regnet es? Ist es Tag oder Nacht? Lassen sie Ihre Augen ganz in Ruhe auf Entdeckungstour gehen.
Dann nehmen Sie 4 Dinge wahr, die Sie anfassen können. Den warmen weichen Wollpullover den Sie heute tragen. Der harte kalte Boden oder das weiche Bett auf dem Sie vielleicht gerade sitzen. Die Maserung des Holztisches, auf dem sich eine heiße Kaffeetasse befindet, die Sie jetzt in Ihre Hände nehmen und den Körper angenehm wärmt. Sie können auch Ihre Hände anfassen. Sind die Fingerspitzen kalt? Deine Handflächen feucht?
Konzentrieren Sie sich anschließend auf 3 Dinge, die Sie hören können. Fährt gerade ein Zug vorbei? Läuft vielleicht die Waschmaschine oder reden die Nachbarn im Hausflur? Selbst wenn es scheinbar nichts zu hören gibt, hören Sie ganz genau hin. Vielleicht hören Sie, wie das Wasser in der Heizung rauscht oder das Brummen des Kühlschranks?
Dann richten Sie die Aufmerksamkeit auf Ihre Nase. Welche 2 Gerüche nehmen Sie im Moment wahr? Ist es der frisch gebrühte Kaffee? Oder sind Sie gerade in der Stadt und die Straße wird frisch geteert? Oder wird die Wiese vor dem Haus gerade gemäht und es duftet angenehm nach frisch gemähtem Rasen?
Am Ende benennen Sie eine Sache, die Sie gerade schmecken können. Die Minze Ihres Kaugummis? Der fruchtige Tee, von dem Sie gerade noch einen Schluck genommen haben?
Spüren Sie am Ende nochmal nach, wie sich Ihr Körper und Geist jetzt anfühlen. Sind Sie wieder etwas entspannter? Schlägt Ihr Herz wieder ein wenig langsamer und geht der Atem wieder ruhig und gleichmäßig? Nehmen Sie sich noch die Zeit, die Sie brauchen, um wieder ganz bei Ihnen anzukommen.
2. Die Weicher-Bauch-Übung
Diese Übung wurde von dem amerikanischen Arzt Dr. James Gordon entwickelt und vielfach erfolgreich zur Behandlung von posttraumatischen Störungen, von Ängsten und Depressionen eingesetzt.
Wenn die Atmung mehr im Bauch stattfindet, werden die unteren Abschnitte der Lunge beim Einatmen angesprochen und die Aufnahme von Sauerstoff wird erheblich verbessert. Wenn der Bauch während des Atmens immer weicher wird, aktiviert dies den Vagus Nerv, der für weitere Entspannung sorgt. Wird der Bauch immer weicher, entspannen sich auch die Muskeln des Körpers.
Um alle Vorteile dieser Übung voll auszuschöpfen, sprechen Sie dabei leise oder in Gedanken zu sich selbst die Anleitung: „weicher Bauch“. Sie können beide Wörter zusammen sprechen oder bei jedem Einatmen „weicher“ sagen, und bei jedem Ausatmen „Bauch“ – das ist Ihnen überlassen. Betrachten Sie diese Worte wie ein Mantra, dass viele Male wiederholt werden möchte.
Diese Übung sollte im Sitzen oder im Liegen ausgeführt werden. Die Augen sollten nach Möglichkeit geschlossen werden. Lassen Sie Ihren Atem möglichst sanft und gleichmäßig durch die Nase ein – und durch den Mund wieder ausfließen. Versuchen Sie zur Ruhe und ganz bei sich selbst anzukommen. Als Zuhilfenahme können Sie eine oder beide Hände auf Ihren Bauch legen.
Lassen Sie nun mehr und mehr den Atem nur noch über den Bauch geschehen. Beim Einatmen wölbt sich der Bauch ein klein wenig nach außen, beim Ausatmen zieht er sich wieder ein klein wenig zusammen. Der Atem soll ganz mühelos wie von selbst geschehen.
Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit ganz bei Ihrem Atem. Sprechen Sie nun in Gedanken mit jedem Atemzug die Worte: „weicher Bauch“. Je weicher sich Ihr Bauch anfühlt, desto entspannter ist Ihr Körper.
Atmen Sie so lange sanft und natürlich in Ihren Bauch, bis Sie eine deutliche Verbesserung fühlen. Verweilen Sie in diesem Zustand der Entspannung so lange Sie möchten.
Zum Schluss nehmen Sie noch zwei bis drei tiefe Atemzüge, öffnen langsam Ihre Augen und kommen wieder ganz im Außen an.
3. Die 5-Finger-Übung
In dieser Übung werden Bewegung, Berührung und Atmung so koordiniert, dass die Aufmerksamkeit durch die gleichzeitige Aktivierung verschiedener Körpersinne größtmöglich an den gegenwärtigen Moment gebunden wird und die Angst so in den Hintergrund treten kann.
Strecken Sie für diese Übung eine Ihrer Hände etwas vor Ihnen aus und spreizen deren Finger. Dann legen Sie die Spitze des Zeigefingers Ihrer anderen Hand ganz unten, an die Außenseite des gespreizten, kleinen Fingers. Beim nächsten Einatmen streichen Sie mit der Zeigefingerspitze auf der Außenseite des kleinen Fingers hinauf, halten den Atem kurz an und mit dem Ausatmen streichen Sie mit der Fingerspitze über die Innenseite des kleinen Fingers hinunter.
Mit dem nächsten Einatmen streichen Sie dann auf der Außenseite des gespreizten Ringfingers hinauf, halten kurz den Atem an und streichen mit dem Ausatmen auf dessen Innenseite wieder hinunter. Diesen Ablauf wiederholen Sie so lange, bis Sie am Daumen angekommen sind.
Mit dem nächsten Einatmen streichen Sie dann mit dem Zeigefinger wieder den Daumen hinauf und setzen die Übung in umgekehrter Richtung fort.
Denken Sie daran, bei jedem Einatmen immer an der Außenseite des Fingers hochzustreichen und beim Ausatmen an der Innenseite des Fingers herunterzustreichen.
Achten Sie auf eine bewusste Atmung und wiederholen Sie diesen Ablauf so lange, bis Sie eine deutliche Erleichterung spüren.
4. Die Handschalenübung
In Situationen akuter Angst und Panik verändert sich die Atmung. Wir neigen dann dazu, schnell und heftig tief durch den Mund zu atmen, und entwickeln dennoch ein Gefühl, nicht genug Sauerstoff zu erhalten.
In solchen Situationen ist es wichtig, zunächst den Atem zu beruhigen, indem wir bewusst durch die Nase, und auch zunehmend langsamer und sanfter atmen. Das fälschliche Gefühl einer Atemnot kann so sehr schnell aufgelöst werden.
Die Handschalenübung ist hierzu sehr gut geeignet. Sie bietet eine schnelle und zuverlässige Hilfe bei akuten Angstzuständen und Panikattacken. Sie sollten sich allerdings unbedingt bereits zuvor, in angstfreien Zeiten, mit dieser Anleitung vertraut machen.
Für die Handschalenübung bilden Sie mit Ihren Händen eine Schale, indem Sie die kleinen Finger aneinanderlegen. Bedecken Sie Nase und Mund mit dieser Handschale, so dass weder viel Luft von außen einströmen, noch aus der Schale entweichen kann. Die Wärme des Atems können Sie jetzt in den Handflächen spüren. Gleichzeitig können Sie das Ein- und Ausfließen der Atemluft genau verfolgen. Je wärmer die Atemluft ist, desto angestrengter atmet man.
Versuchen Sie nach und nach langsamer und sanfter zu atmen. Das Einatmen ist etwas aktiver, das Ausatmen sollte ganz natürlich passieren und etwas länger als das Einatmen sein. Stellen Sie sich vor, so sanft zu atmen, dass sich die kleinen Haare in der Nase darin nicht mehr bewegen. Mit jedem Atemzug sollte sich nach und nach ein Gefühl der Entspannung und des Loslassens in Ihrem Körper ausbreiten.
Sobald Sie ein Bedürfnis nach mehr Luft verspüren, geben Sie diesem Bedürfnis nicht gleich unmittelbar nach, sondern versuchen Sie für sich einen Bereich zu finden, indem Sie sich ein wenig herausfordern, aber dennoch weiterhin auch wohl fühlen können. Wird der Lufthunger aber zu groß, dann legen Sie eine Pause ein.
Atmen Sie so lange in die Handschale, bis Sie eine deutliche Erleichterung in sich spüren.